Darbietung klassischer Musik mit zwanghaften Begleitumständen

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Zumeist berichten wir in unserem Blog von den Laufveranstaltungen in und um Rostock. Unser Sportsfreund Reinhard Wolff, u.a. AK-Sieger beim Berlin-Marathon 2011, hatte kürzlich ein besonderes Erlebnis im Rostocker Theaterzelt, welches wir euch nicht vorenthalten möchten und dessen Zeilen zum Nachdenken anregen – aber lest selbst!

Darbietung klassischer Musik mit zwanghaften Begleitumständen

4. Philharmonisches Konzert mit der Norddeutschen Philharmonie im neuen Rostocker Theater-Zelt

Auf dem Programm:
– Carl Maria von Weber – Ouvertüre zu „Oberon“
– Johannes Brahms – Konzert für Violine, Violoncello und Orchester, a-Moll, op. 102
– Antonin Dvořák – Symphonie Nr. 6, D-Dur, op. 60

Mit zwei großartigen Solisten, Karen Gomyo (Violine), Kanada, Christian Poltéra (Violoncello), Schweiz und dem Dirigenten Arthur Fagen, (USA) waren im Vorab
Garantiemarken für klassisch konzertanten Hochgenuss gesetzt.

Der „Konzertsaal“ war fast bis auf den letzten Platz besetzt.
Das Publikum sachkundig und begeisterungsfähig, Ovationen mit Händen und Füßen, die Solisten Weltklasse.

Kleine Rückblende:
Rostock verlor sein wundervolles Theater durch Bombardement des letzten Weltkrieges. Seit 1942, also 69 Jahre lang, vegetiert nun die Hansestadt mit klassischer Kunst in verschiedenen Behelfs-Gemäuern. Das letzte Gebäude,Volkstheater Großes Haus genannt, wurde 2011 geschlossen – Verfall, Asbest, stadtpolitisches Missmanagement mit gewählten (Un-)Verantwortungsträgern…

Immerhin, zusätzlich „neue“ Spielstätten stehen zur Verfügung u.a. eine alte, vor dem Abriss gerettete Montagehalle der Neptunwerft, nur im Sommer bespielbar und das besagte neue Theater-(Zirkus-)Zelt, ganzjährig mit hohem Kostenaufwand bespielbar.

Zum ersten Mal besuchte ich dieses Zirkuszelt, eine Spielstätte mit Zirkusflair. Letztendlich: Konzerte und Theater müssen weitergehen, deshalb Augen zu und durch (durch alle Kompromisse und das schmerzt ganz fürchterlich).

An diesem Abend interpretiert ein erstklassiges Orchester, die Norddeutsche Philharmonie Rostock, ein A-Orchester (wie lange noch existent ? ), Werke der Spitzenklasse von Komponisten, die diese Welt je hervorgebracht hat.

Webers „Oberon“ wurde begleitet von einem Trommelfeuer sich abwechselnder Regenschauer auf das Zeltdach.
Dann rüttelte der Sturm das Zelt durch. Ich erkannte sogleich die begleitenden Geräusche, wie ich sie von Sturmfahrten auf den Ozeanen als Seemann erlebt habe:
Der Wind holt die Wanten steif und sobald der Winddruck nachlässt, kommt genügend lose rein, worauf das berühmte Knarren einsetzt, wie man es auf den Segelschiffen und auch in der konventionellen Großschifffahrt erlebte.

Diese „Begleitmusik“ wurde Weber, Brahms und Dvořák so einfach zwangsläufig in ihre Partituren gemogelt. Es kam aber noch „besser“.

Den beiden Solisten wurde eine noch Dissonanz verstärkende Background-Melodie hinzu geliefert:
Zweimal tangierten Rettungsdienste oder Polizei mit ihren Martinshörnern konter synchron überdeutlich zähflüssig lange das Zirkuszelt.
Innerlich empfand ich das als störend für meinen Musikgenuss, erkannte doch noch den dritten Satz „Vivace non troppo“ der wundervollen Musik von Johannes Brahms wieder.

„Jetzt aber genug! Nun ist Ruhe“, so dachte und hoffte ich. Oh, Nein!

Während des „Scherzo (Furiant)“ im III. Satz von Antonin Dvořáks Symphonie Nr. 6 näherte sich ein Helikopter.
Tatsächlich, als das Orchester zum Forte fortissimo ansetzte, war der Helikopter plötzlich „verschwunden“. Bis er durch ein Decrescendo hin zum Forte piano wieder „erschien“. Doch das Publikum wurde belohnt, jeder wusste, der Hubschrauber befindet sich im Abflug.

Dennoch, das klassische Konzert war philharmonisch einfach Klasse.

Ich sollte mir jetzt als Norddeutscher genügend Rheinisches Frohnaturell anschaffen und dann mit geübter Abwehr-Hörtechnik die ganzen Schmutzgeräusch-Sequenzen einfach weg filtern. So weiß ich dann speziell im Rostocker Theaterzelt immer zwischen rockigem Sound und noch übriggebliebener philharmonischer Akustik zu unterscheiden. Bis, vielleicht doch noch, ja irgendwann… Theaterneub…
oder…?

Reinhard Wolff  +
(live erlebt am Sa., 03. Dez. 2011, 19:30 h, Parkett links, Reihe 11, 23,- €, im Theaterzelt Rostock, Werftstr. 7, 18057 Rostock – nicht druckrelevant erschienen in der HRO-Presse)

Kategorie: Rostocker Leben | Tags: ,

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